Kann ich plötzlich nicht mehr schreiben?
Eine wahre Geschichte über das Scheitern – und wie es nach dem Scheitern weiterging
Es gibt da diese berühmte Metapher vom Fahrradfahren. Sie beschreibt Dinge, die man einmal gelernt hat und nie mehr verlernt. Schwimmen, Radfahren. In meinem Fall auch noch: drei Bälle Jonglieren, Autofahren und Schreiben.
Ohm. Schreiben … ja, wenn es ums Schreiben von Buchstaben und um die Rechtschreibung geht, dann würde ich sagen, das kann ich für immer (jedenfalls bis mich Alzheimer erwischt). Was das „gute Schreiben“ betrifft, muss ich leider vom Fahrrad absteigen – und, ganz metaphorisch, den Fußweg wählen. Es gibt eben Dinge, die kann man nicht immer.
Was ich nicht immer kann:
- Gulasch so würzen, dass es meiner Tochter schmeckt
- In der Therapiestunde zu großen Erkenntnissen kommen
- Eine Haube stricken, die mir nicht in die Augen rutscht
- und eben …
… einen guten Text schreiben.
Vor Kurzem hat mir das Leben eine Lektion in Sachen Demut erteilt. Eine ganz schön deftige Lektion, gleich im Doppelpack. „Das passiert MIR?!?“, habe ich gejammert. Selbstmitleid pur.
Ich musste einsehen: Ja, das passiert mir. Nicht nur mir. aber auch mir: der zweifachen Bestsellerautorin. Der Lehrerin, die gutes Schreiben unterrichtet. Der geübten Kolumnistin. Der Frau, die jede Woche so liebe, wertschätzende Antworten auf ihre Newsletter bekommt.
Ich dachte doch wirklich, ich kann Fahrradfahren, auch mit dem Stift am Papier, mit den Fingern am PC. Hups. Eben nicht immer.
Was ist passiert?
Ich habe einen Artikel geschrieben. Über ein Thema, das mir wichtig ist, für ein Magazin, das ich liebe. SchreibRäume heißt das Magazin, es richtet sich an Menschen wie uns, die gerne schreiben. Es erscheint zwei Mal im Jahr und hat immer ein bestimmtes Thema zum Schwerpunkt, im kommenden Herbst das autobiographische Schreiben. Kein Wunder, dass ich mich freiwillig zum Schreiben eines Artikels meldete. Ist ja ein Leib- und Magenthema von mir.
Über das Thema habe ich nicht lange nachgedacht. Denn es gab da etwas, das mich selber gerade beschäftigte: die Frage, ob (und wie) man über Dinge schreiben kann, mit denen man noch nicht versöhnt ist.
In vielen Memoir-Ratgebern steht, dass man nur über das schreiben sollte, womit man schon im Frieden ist. Ich kann diesen Rat nachvollziehen, denn tatsächlich mag ja niemand ein Buch voll Gejammere lesen – und selbst tut es einem auch nicht gut, hunderte Seiten lang im eigenen Unglück zu waten. Zugleich kommen Menschen zu mir, die das Schreiben als Heilung sehen wollen. Die ein Buch schreiben wollen, um Frieden zu schließen mit etwas, das fürchterlich war.
Auch ich selber habe in den letzten Jahren Dinge erlebt, die ich gerne abschließen und mit dem Etikett „Ich habe damit Frieden geschlossen“ versehen würde. Es macht mich nicht froh, dass es noch nicht gelingt. Sehr gern würde ich über diese Dinge schreiben, weil Schreiben meine Kraftquelle ist. Aber ich verbiete es mir, weil man das – zumindest für die Öffentlichkeit, als Autorin – nicht soll. Klar schreibe ich Tagebuch. Aber das reicht mir nicht. Ich will es gestalten, will ein Narrativ daraus machen. Ich würde es gern mit anderen teilen, nicht als Gesülze, aber auch nicht in Form einer fertigen Heldengeschichte. Berührbarkeit teilen, Verletzlichkeit teilen, nicht nur gute Gefühle.
Mein Artikel
Ich wollte meinen Artikel nutzen, um mir selbst Antworten zu geben auf Fragen wie diese: Darf man über Verletzungen schreiben? Wie kann es gehen? Was muss man beachten? Inwiefern kann literarisches Schreiben beim Finden einer versöhnlichen Haltung helfen?
Das Schöne: Es ist mir gelungen. Ich habe einen Tag lang geschrieben, sehr ehrlich, sehr gewissenhaft. So, wie ich es lehre und selbst immer pflege. Ich habe mich nicht gedrückt, habe immer wieder nachgefragt und redlich Antworten gegeben. Ich habe in Büchern geblättert und Beispiele gefunden. Am Ende des Artikels hatte ich eine neue, bereicherte Haltung zum Schreiben über waidwunde Themen.
Ich war stolz. Und froh.
So froh, dass ich meine Freude unbedingt teilen wollte. Ich habe meinen Artikel an eine Freundin geschickt – sie schreibt selbst immer wieder und kennt mich sehr gut, in allen Gefühlen. „Schau mal, diesen Artikel habe ich heute geschrieben“, WhatsAppte ich ihr. Mehr nicht. Ich war sicher, sie würde begeistert sein.
Zurück kam eine Mail, nach nur 30 Minuten: „Puh, der Text überfordert mich voll. Ich verstehe ihn nicht, aber ich bin da halt auch nicht so drin in diesem Feld. Wen willst du damit beeindrucken?“
Hast Du so etwas auch schon einmal erlebt?
Vielleicht nicht genau in diesen Worten. Vielleicht ganz anders, durch Nicht-Antwort, durch ein „ganz nett“, durch ein „Ich hab keine Zeit, es zu lesen“, durch etwas wie „Verstehe ich nicht, gibt mir nichts“ (wie es neulich einem Freund von mir passiert ist)?
Schon plappern die Stimmen im Kopf. Drei machen sich besonders wichtig. Die eine, die sagt: Der/die andere ist blöd. Zu blöd für meinen Text. Zu blöd, meinen tollen Text in seiner Tiefe zu verstehen. Eine andere flüstert: Ok, jetzt ist es aufgeflogen. Ich kann ja tatsächlich nicht schreiben, ich wusste es ja schon immer. Alles, was vorher war, war nur Glück oder glückliche Täuschung. Die dritte Stimme ist autoritär. Sie motzt; Du musst schon Kritik einstecken können. Sei nicht so empfindlich.
Kein Wunder, dass man nicht schlafen kann, wenn diese drei Stimmen im Kopf diskutieren. Kein schöner Zustand.
Was tun?
Ich plädiere ja meistens für: Durchatmen, etwas anderes tun, zwei Mal drüber schlafen, egal, ob gut oder schlecht. Mich nicht hineinsteigern. Es gelingt mir nicht immer, aber immer besser, je mehr ich es übe.
Im konkreten Fall meines Artikels hätte ich es ganz gut geschafft, wenn nicht … einen Tag später diese andere Mail gekommen wäre. Die Chefredakteurin einer Zeitschrift, für die ich regelmäßig Kolumnen schreibe, hat mir geschrieben: Liebe Barbara, dein Text [zur Erklärung: das war ein kurzer Text, eine Kolumne, also nicht der Artikel übers autobiographische Schreiben, sondern ein anderer] enthält zu viele inhaltliche Sprünge und eine bedenkliche Formulierung. Leider können wir ihn diesmal nicht nehmen, bitte schicke mir bis übermorgen einen neuen zu.
Treffer, versenkt.
Der zweite Text in vierundzwanzig Stunden, der untauglich war. Ich hatte keine Erfahrung mit so etwas. Bisher hat doch immer alles gepasst. Und jetzt plötzlich? Textdurchfall an allen Fronten?
In einem letzten Anfall von Verdrängungsbedürfnis schickte ich meine Kolumne an einen Freund, der meine Texte liebt. (Ah ja: jener Freund, der kürzlich selbst diese schlimme Kritik einstecken musste). Ich hoffte auf – Sie ahnen es: „Die sind doch alle doof. Dein Text ist ur gut.“ Was kam, war eine sehr liebe Nachricht, aber dieselbe Botschaft: Ich habe drei Mal den Faden verloren. Das ist nicht so geschrieben, wie ich es sonst von Dir kenne.
Ein Lichtblick: Ich hatte mich vorher selbst hingesetzt und mir überlegt, wo diese inhaltlichen Sprünge (angeblich) sind. Ich habe drei Stellen gefunden. Mein Freund hat die selben drei Stellen genannt. Immerhin, dachte ich, kann ich mich noch selbst lektorieren. Trotzdem hätte ich mir so sehr gewünscht, dass der Text gerade deshalb, wegen der Sprünge, gut ankommt. Dichter machen das, Songwriter auch, wahrscheinlich auch Literatur-Nobelpreisträger. Warum darf ich das denn nicht?
Ich war grantig. So grantig, …
… dass die Sache zur Hauptsache wurde. Ich beschloss, nicht ins Schneckenhaus abzutauchen, sondern mich der Sache zu stellen. Vielleicht ist da wirklich etwas passiert mit mir und dem Schreiben. Diese Idee ließ ich vorsichtig an mich heran, statt dem „Die sind alle doof“ den Vortritt zu lassen.
Ich wurde neugierig. Wenn da tatsächlich ein Bruch ist (Schreibknochen gebrochen, so dachte ich mir), dann gehe ich gleich in den Röntgen-Salon. Mir war klar, dass ich da selber nicht weiterkomme. Ich war betriebsblind. Jedes Mal, wenn ich meinen Artikel im Word geöffnet habe, wurde mein Blick ganz verschwommen und es wurde neblig in mir.
Was mir half:
- Ich habe den Text in einer Peer-Group aus schreibenden Frauen geteilt, schon mit dem Zusatz: Bitte seid streng und sagt mir, was daran nicht stimmt, denn irgendwas stimmt hier nicht. Eine Kollegin hat tatsächlich den Finger auf zwei Stellen im Text gelegt, bei denen sie „mich verlor“.
- Ich habe den Text auch der Chefredakteurin der SchreibRäume geschickt, mit den Worten: Es ist nur der erste Entwurf, ich hänge gerade fest, ich schicke Dir bald eine zweite Version. Kannst Du mir trotzdem sagen, ob der Text halbwegs in die richtige Richtung geht? Vor ihr, der Kollegin, kam eine schöne Antwort, dass sie vieles an meinen Inhalten fasziniert und bereichert hat, dass sie viel mit meinen Tipps anfangen kann, und dass sie sich auf die zweite Version freut.
- Ich habe mir ein Coaching bei Nadja Bobik gebucht (Ihr wisst schon, Nadja, die den neuen Zoom-Kurs leitet). Sie ist ja unter anderem professionelle Lektorin und hat mit freundliches, genaues Feedback gegeben. Nadja und ich habe zwei Stunden lang mit Neurographik an der Frage gearbeitet: Wohin will sich mein Schreiben gerade entwickeln?
- Ich habe mit der Chefredakteurin der Kolumnen-Zeitschrift telefoniert und sie gefragt, ob ich meine Kolumne auf ungewisse Zeit aussetzen kann. Es war ein sehr gutes Gespräch mit viel Lachen, großem Verständnis und sehr präzisem fachlichem Austausch über den misslungenen Kolumnentext. Im Gespräch spürte ich, dass ich das Thema der Kolumne schon seit einiger Zeit nicht mehr so inspirierend finde und eigentlich froh bin, eine Pause zu machen.
Der Zufall hat auch noch mitgespielt:
- Ich habe mit einer Autorin gefrühstückt, die sich ganz genau in mich und meinen Zustand einfühlen konnte. Sie hat mir Joe Dispenza und seine Arbeit empfohlen. Von diesem Treffen habe ich ja schon in einem anderen Artikel erzählt.
Und dann
Dann kam die Knochenarbeit.
Am liebsten hätte ich meinen Artikel ja in die Schublade gelegt und für den Rest meines Lebens Gedichte geschrieben. Aber ich hatte den Artikel ja zugesagt und musste ihn abgeben. Hier war absagen nicht möglich – und im Grunde wollte ich es auch nicht, denn das Thema ist mir ja wichtig.
Ich habe mich also hingesetzt und noch einmal von vorne begonnen. Diesmal ganz anders. Weniger intim. Ich habe weniger von mir selbst erzählt, sondern mich in die Leser hineinversetzt. Der neue Anfang war nicht so poetisch, nicht so „literarisch“ wie der erste, sondern sachlicher. Plötzlich lichtete sich der Nebel. Ich wurde klarer, kräftiger. Ich merkte auch, wovor ich mich bisher gedrückt hatte: Ich hatte keine klare Fragestellung verfolgt, sondern sehr assoziativ ums das Thema herumgeschrieben.
Mit wurde klar: Ich hatte im ersten Artikel zwei Fragen vermischt. Erstens die Frage, wie sich Schreiben und Therapie unterscheiden. Und zweitens die Frage, wie literarisches Schreiben beim Finden von Frieden helfen kann. Diese beiden Fragen sind sich im Text immer wieder in die Quere gekommen. Beim neuen Text habe ich mich für die zweite der beiden Fragen entscheiden und die andere gar nicht behandelt.
Das alles war anstrengend.
Nicht seelisch, sondern für meine Schreibmuskeln. Jetzt, wo ich wusste, was ich mit meinem Text will (den Lesern etwas Gutes tun, nicht mir selbst), setzte ich alles daran, mein Ziel zu erreichen. Ich sorgte für eine gute Gliederung, setzte Zwischenüberschriften, machte mir bei jedem Absatz klar, welche Frage er beantworten will. Ich klopfte jeden Satz auf seine Länge ab. Bemühte mich um kraftvolle Verben und die Vermeidung von Adverbien. Ich strich jeden Satz, bei dem ich wieder so ein Nebel-Gefühl bekam.
Insgesamt ließ ich mich von einem Mantra leiten, das ich im Kurs „Besser schreiben“ empfehle: 98% ist Dienst, 2% ist Magie. Die Magie entsteht von selbst, wenn man den Dienst ernst nimmt. Dienst heißt: sich in die Leser einfühlen. Ihnen ihre Fragen beantworten. Dem Thema dienen und es gut ausleuchten. Gedanken zu Ende verfolgen. Auch das „Aber“ mitdenken. Und alles gut abschließen.
Die Magie
Ich habe den neuen Artikel eingeschickt. Zwei Wochen später bekam ich die Nachricht: Das Redaktionsteam hat beschlossen, meinen Artikel als Leitartikel zu veröffentlichen. Er kommt also an den Anfang des Heftes – ein ehrenvoller Platz. Ah ja: er sei zu lang (für das Layout). Aber so gut, dass man ihn nicht stark kürzen wolle. Die Chefredakteurin hat ihn gleich für mich gekürzt – und ich war selig.
Was habe ich gelernt?
Diese Ahnung, die so weh tut – wenn man denkt: Vielleicht stimmt wirklich, ganz grundsätzlich, etwas nicht mit meinem Schreiben – ist eine sehr wertvolle Helferin. Sie weist auf eine neue Entwicklungsstufe hin. Auf eine neue Stufe der Erkenntnis.
Natürlich ist der Satz „da stimmt etwas nicht“ falsch, denn es geht ja nicht um richtig oder falsch.
Aber vielleicht kann man den Satz auch so hören: Deine Stimme ist hier ein wenig belegt. Sie könnte noch freier schwingen. Irgendwas wartet, das „Knacks“ machen will, so dass Deine Stimme nachher noch klarer schallt.
Was ich auch gelernt habe: Glück von Glück zu unterscheiden.
Es gibt das Glück, etwas niedergeschrieben zu haben. Dabei hat man vielleicht eine neue Erkenntnis gewonnen, gut Ordnung gemacht, alles gesichtet. Man hat auch seinen Gefühlen Raum gegeben und fühlt sich von sich selbst verstanden. Solche Texte sind (geschätzt) für 5% der Menschen wertvoll (wie in meinem Fall für die Chefredakteurin des Schreib-Magazins).
Das andere Glück ist das Glück, einen Text im Sinne von Lesern aufbereitet zu haben. Dieses Glück fühlt sich anders an. Leichter. Geklärter.
Ich könnte es mit einer Ernte vergleichen: Wenn ich Kartoffeln ernte, bin ich glücklich beim Ackern, beim Graben, beim Schaufeln, bei der Fahrt zum Kompost, beim Transport der Früchte nach Hause.
Damit es dann schmeckt, muss ich die Knollen aber noch putzen, sie schnippeln, braten oder kochen, sie mit Gewürzen veredeln und mit anderen Zutaten mischen. Ich muss mich auch entscheiden, was genau ich koche – Eintopf, Bratkartoffeln oder Kartoffelgratin. Nicht alles auf einmal.
Eine dritte Erkenntnis
Ich habe das Wort „first draft“ (erster Entwurf) für mich neu durchfühlt. Ich schreibe selten erste Entwürfe, meine Kolumnen sind so kurz, dass ich sie gleich beim Schreiben verfeinere (Satz für Satz), und bei meinen Newslettern habe ich für ein grundlegendes Überarbeiten keine Zeit, nur für Rechtschreib-Korrekturen (auch dafür nicht immer). Klar, Bücher werden lektoriert und mindestens einmal überarbeitet. Aber …
Irgendwie hatte ich immer im Kopf, dass ein „first draft“ etwas ist, das man einfach mal hinschreibt, ohne viel Aufwand und Herzblut. Und dass die Arbeit dann bei der Überarbeitung beginnt. Hier mein Denkfehler: Meinen Artikel habe ich mir wirklich abgerungen, Zeile für Zeile. Es war Seelen- und Herzarbeit, ihn zu schreiben. Daher dachte ich, er sei sicher schon perfekt. Eben weil ich ihn so konzentriert, so achtsam geschrieben habe
Ich lerne: der „first draft“ kann auch ein schweres Stück Arbeit sein. Vielleicht ist er das immer?
Das Überarbeiten kann sich leichter anfühlen als der erste Entwurf. Oder anders anstrengend.
Seelen-Arbeit im Entwurf Nummer eins, Knochen- und Muskel- und Hirnarbeit in der Überarbeitung hin zum fertigen Text.
Nur weil ein Text Arbeit war, ist der noch nicht unbedingt perfekt (für die Leser).
Aber, vielleicht: je mehr Arbeit man in den ersten Entwurf investiert hat, umso mehr Freude erlebt man beim Überarbeiten, wenn es dann endlich zu flutschen beginnt.
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Ich danke allen, die an meiner Reise des Scheiterns beteiligt waren – als Ratgebende und Kritiker – und auch Euch, die Ihr meine Geschichte hier gelesen habt.
Was ich Euch jetzt noch schenke, ist meine Kolumne. Die mit den Sprüngen, die angelehnt wurde. Vielleicht findest Du die drei problematischen Stellen und das bedenkliche Wort. Vielleicht findest Du aber auch ganz etwas anderes.
Meinen „schlechten“ Artikel kann ich hier nicht mit Dir teilen, der „gute“ erscheint im Heft 2/23 am 30.9. (SchreibRäume). Wenn es so weit ist, werde ich Dir den Rohentwurf zeigen, dann kannst Du vergleichen.
P.S.: Ehe es zur Kolumne geht, hier ein Hinweis: Nadja Bobik Kurs „Durch und durch – intuitives Schreiben und Zeichnen“ beginnt am 3. Mai. 8 Einheiten, jeden Mittwoch von 19:00 bis 21:00, bis 21. Juni. Es gibt Aufzeichnungen, falls Du nicht live dabei sein kannst.
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Wohin darf es gehen?
Mit den Wiener Linien nach Madrid: das ist möglich. Ich kann es beweisen.
Wie lange braucht man, um in Spanien Urlaub zu machen? Die Billigflug-Seite sagt: zweieinhalb Stunden. Ich weiß, dass sie schwindelt, das tut sie ja immer. Wenn es um die Reise geht, muss man Weg- und Wartezeit mitrechnen. Wenn es ums Leben geht, kann es noch viel länger dauern. Jahre sogar: bis genug Geld da ist, bis das Kind auch hinwill, bis die Freundin dort war und den super Geheimtipp teilt, bis man vorher den Sprachkurs gemacht hat …
Es gibt eine Alternative, neulich zufällig entdeckt. Wo? „Burggasse, Stadthalle“, sagte das Tonband in der Straßenbahn 18, aber ich hörte es nicht. In meinen Ohren steckten nämlich Kopfhörer voll toller Musik. „Biciclete“, stand auf dem Display meines Handys. Dieses Lied von Blaumut lief gerade zum vierten Mal, ich hatte es als Tipp in einem Buch für Radfahrer entdeckt und gleich heruntergeladen. Den Text (katalanisch) verstand ich nicht. Aber das Lebensgefühl funkte sofort.
Ich war in Spanien. Zumindest stellte ich mir vor, in Spanien zu sein – und fand umgehend lauter Beweise: Die Südländer-Quote in der Straßenbahn 18 beträgt ohnehin 90%. Wenn man die Worte nicht hört (türkisch, syrisch, arabisch), gehen die Mitfahrer leicht als Spanier durch. Wenn die Sonne zwischen Wolken hervorlugt, ist Spanien halt heute bewölkt – morgen wird es bestimmt wieder sonnig und heiß. Der Autoverkehr am Gürtel gleicht dem in Madrid, hier Hupen, da ein zu schnelles Auto, Temperament und Testosteron. Kebabs und Pizza gibt es ja eh überall. Und der Strand? Den sieht man nur nicht, er ist hinter den Häusern. Meine Stimmung war in Schallgeschwindigkeit geflogen und im Urlaub gelandet, einem Traum aus Sangria und Tapas.
„Ich habe einen nagelneuen Zebrastreifen, frisch gestrichen. Möchtest du Minzeis? Sag einfach, was du denkst.“ So der Songtext (inzwischen gegoogelt).
Wissen Sie, was ich denke? Ich denke, dass ich demnächst nach Italien fliege. Und dann nach Südfrankreich oder nach Lissabon. Wer weiß, vielleicht gelingt mir auch eine Zeitreise (wenn nicht in der Straßenbahn, dann halt im Wienerwald). Wenn es mir dann noch gelingt, in eine andere Version meiner selbst zu reisen, nämlich in eine, die sich weniger Sorgen macht, weniger „muss“ denkt und mehr „au ja, toll“, dann brauche ich erst einmal keine Billigfluglinie mehr. Musiktipps sind mir willkommen, falls Sie welche haben.
Eva Appel-Brandner
Liebe Barbara! Total inspirierend - von der Raupe zum Schmetterling. Ja Wachstum fühlt sich mal so und mal so an...Habe jedes einzelne Wort spüren und nachvollziehen können, obwohl ich weder für einen Artikel noch für eine Kolumne schreibe. Es steckt wohl immer hinter der Herausforderung die "Magie" und die wunderbaren und erleichternden Erkenntnisse. Manche Wörter und Gedanken gehören wohl in den "Ruhestand" geschickt. Habe heute in unserer "Frauen-Coaching Runde" auch ein wunderbares neues Wort lieben gelernt..." Wachstumsmuskelkater". Viel Spaß noch mit deinen "mediterranen" Visionen! Alles Liebe Eva