Warum Schreiben die Welt besser macht
Die Welt retten. Oder sie wenigstens ein bisschen besser machen. Das wollen wir doch alle. Und alle kennen wir den Frust, wenn wir uns eingestehen müssen, dass es nicht in unserer Hand liegt, die ganze Welt aktiv zu retten. Was wir aber im im Lauf unseres Lebens sammeln: Hinweise. Darauf, wie wir, auf unsere Art, etwas dazu beitragen können, dass das Leben schöner und die Welt ein weniger heiler wird. Hier mein Beitrag.
Ich glaube fest daran, dass die Welt besser wird, wenn Menschen schreiben.
Schreibende Menschen sind Menschen, die bereit sind, sich mutig auf Neues, Unbekanntes einzulassen. Menschen, die sich nicht mit erstbesten, automatisierten Gedanken zufrieden geben. Menschen, die dranbleiben, auch wenn es einmal schwierig wird und darauf achten, wie sie mit sich und anderen kommunizieren.
Schreibende Menschen sind Menschen, die regelmäßig über sich selbst und über ihren inneren Schweinehund hinauswachsen. Menschen, die strahlen, aufrecht stehen und an sich glauben. Meine Arbeit als Schreibpädagogin verstehe ich darin, Menschen alles beizubringen, was sie brauchen, um auf diese erfüllende und entwicklungsfördernde Art schreiben zu können.
Es gibt ein paar Sätze, die im Lauf meiner Schreibentwicklung und Schreibausbildung zu meinen Leitsätzen geworden sind. Die wichtigsten möchte ich hier mit Dir teilen:
Ein Wort ist schon sehr viel
Ein Wohlfühlwort, auf einem Post-It notiert und auf den Kühlschrank geklebt. Oder ein biestiges, trauriges, schreckliches Wort, endlich aufgeschrieben, endlich sichtbar, so dass man weinen kann: Die Kraft des Schreibens kann schon durch winzigste Texte, ja sogar durch ein einzigen Wort oder einen Satz wirksam werden.
Beim kreativen und literarischen Schreiben braucht es oft nur ein einziges „zündendes“ Wort, das den Fluss der Phantasie in Gang bringt. Ein solches Wort ist wie ein Goldnugget. Kreative Methoden helfen, solche Impulswörter und -Sätze zu finden, ohne dass es sich nach Arbeit anfühlt.
Hinter jedem Text steht ein Mensch
Was wir schreiben, ist Ausdruck dessen, was wir denken. Ja: Es ist Ausdruck dessen, was und wer wir im Augenblick sind. Der Schreibstil eines Menschen verrät viel darüber, was in seinem Kopf und in seiner Seele vorgeht. Man kann Muster erkennen; Ausgelassenes kann auf blinde Flecken hinweisen; die Ordnung, die sich zeigt, gibt Hinweise auf aktuelle Prioritäten; Ordnung, die sich noch nicht zeigt, weist auf nötige Klärungsschritte hin.
Wenn ich an Texten arbeite, verstehe ich das als Arbeit am ganzen Menschen. Textarbeit ist mehr als Handwerk. Es ist eine Lebensarbeit, die persönlichen Einsatz verlangt – und die entschiedene Bereitschaft, über aktuelle Denk- und Lebensmuster hinauszuwachsen.
Indem ich Texten Wertschätzung gebe, gebe ich auch Dir Wertschätzung. Das ist für mich untrennbar verbunden. Ich nehme Dich ernst, indem ich Deinen Text ernst nehme und gemeinsam mit Dir an seiner Qualität, an seiner Verständlichkeit und seiner Ausdruckskraft arbeite. Der Text ist das Medium, über das wir in die Arbeitsbeziehung treten, die Dich als schreibenden Menschen, aber auch als Menschen, der sich zeigt und in Beziehung tritt, stärkt.
Benennen befreit
Sobald wir etwas aufschreiben, ist es sichtbar, es ist aus uns herausgetreten. Auf das, was wir geschrieben haben, können wir in Ruhe schauen. Wir können uns sagen: „Ich bin mehr als das, was da steht, denn ich war in der Lage, es niederzuschreiben“. Wir können uns auch fragen, ob das, was da steht, tatsächlich die einzige und letztgültige Wahrheit ist. Texte sind herrlich, denn man kann sie verändern, überarbeiten und noch einmal, zwei Mal, immer wieder neu schreiben, in verschiedenen Varianten, aus verschiedenen Perspektiven. All das verleiht uns Gestaltungsmacht über unser Leben, über unser Denken und über unser Schicksal, das zu 99% aus den Automatismen unseres Lebens besteht. Schreiben befreit uns von Gedanken, die übermächtig scheinen, weil sie sich wie eine Schallplatte wiederholen.
Das Große im Kleinen, Konkreten entdecken – und das Kleine, Konkrete im Großen. Das ist Poesie.
Wer mit mir schreibt, erkennt bald den einzigen Punkt, bei dem ich erbarmungslos bin: Ich lasse es nicht zu, dass das Geschriebene im rein abstrakten Raum verbleibt. Ich poche auf konkrete Beispiele. Ich ermutige dazu, Bekenntnis abzulegen, nicht theoretisch-abstrakt, sondern erzählend-sinnlich. Konkret.
Die abstrakte Sprache ist von bewussten und unbewussten Wertungen durchsetzt. Und auch von Täuschungen und Ungenauigkeiten. Was genau meinen wir, wenn wir von „Liebe“ schreiben? Oder von „diesem vagen Gefühl satter Unendlichkeit“? Meistens wissen wir es selbst nicht so genau. Abstraktes ist flüchtig. Sobald wir es konkretisieren, sobald wir Beispiele und sinnliche Details aufschreiben, wird das, was wir sagen wollen, fassbar, greifbar, haltbar im wörtlichen Sinn.
Viele Beispiele für die gelungene Arbeit am Konkretisieren findest Du in meiner Facebook-Gruppe Schreibgeschenke, Lebensgeschenke.
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