Schreiben heißt …
… Gefühlen nicht auszuweichen!
Elysium digital ist eine Online-Zeitschrift, die sich mit den Themen „Leben – Sterben – Tod – Werden“ beschäftigt. Im Mai 2019 durfte ich da ein Interview geben, in dem es um die Frage ging, wie das Schreiben beim Trauern hilft und was man beim emotionalen Schreiben für sich selbst und für andere beachten muss.
Hier ein paar Auszüge:
Liebe Frau Pachl-Eberhart, der Impuls für Ihr erstes Buch war ein schreckliches Unglück, der Verlust Ihrer Familie. Würden Sie es heute als Fügung sehen, dass Sie dies Erlebnis zum Schreiben gebracht hat? Hat das „Darüber-Schreiben“ Sie als Mensch verändert?
Man hört es so oft: dass jede Krise irgendwie auch eine Chance ist. Ich stehe diesem Satz zwiespältig gegenüber. Warum? Weil er das Leid, das mit jeder Krise einher geht, und auch die Zeit, die man für das Wundenheilen braucht, zu verwischen oder gar zu negieren scheint. Ob eine Krise wirklich auch eine Chance für etwas war, kann nur der Betroffene selber beurteilen – und das oft erst nach langer Zeit. Nun, wo ich das gesagt habe, kann ich bestätigen: Der Tod meiner Familie hat mir ein paar Türen geöffnet – eine davon, eine sehr wichtige, war das Schreiben. Und ja, das Schreiben hat mich verändert. Oder, besser gesagt: Das Schreiben hilft mir bis heute, die zu sein, die ich gerne bin und die ich sein möchte.
Viele Menschen sind nach dem Verlust wie gelähmt. Gibt es einen „richtigen“ Zeitpunkt, über die eigene Trauer zu schreiben?
Man spürt, wann es der richtige Zeitpunkt ist. Wichtig zu wissen: Nach plötzlichen Todesfällen, die unser Hirn in Schock versetzten, ist unser Sprachzentrum schlecht durchblutet, das hat mit Hirnchemie und automatisch ablaufenden Traumareaktionen zu tun. Es kann also sein, dass man erst einmal (oft über Wochen) keine Worte findet. Es kann aber auch sein, dass man beim Reden sprachlos ist und gerade deshalb zu Papier und Stift greift, weil es da einfacher geht, langsamer gehen darf, weil da Platz für alle Gefühle ist und man niemanden belastet. Viele Menschen würden gerne schreiben, wissen aber nicht wie. Ich habe damals intuitiv die Briefform gewählt, habe Briefe an meinen Mann und meine Kinder im Jenseits geschrieben und mich so mit ihnen verbunden.
Wie ist die Bedeutung der Form, wie wichtig ist es, dass ein Text „gut geschrieben“ ist?
Ich habe selbst erlebt, wie die Arbeit an der Form, an einem „guten“ Stil den Inhalt des Textes beeinflusst. Gut schreiben, im biographischen Schreiben, bedeutet nicht, elegante Worte zu finden, komplizierte Sätze zu formulieren oder durch besonders originelle Metaphern aufzufallen. Gut heißt vielmehr: wahrhaftig, so einfach wie möglich. Beispiele statt Pauschalaussagen. Logische Folgen statt durcheinander. Erzählen, was wirklich war, außen und innen. Die Fragen der Leser erspüren und redlich beantworten. Wenn man diesen Richtlinien folgt, wird ein Text zu einem guten Freund – für die Leser, aber auch für einen selbst, während man schreibt.
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