ChatGPT und ich
Meine ersten 6 Monate mit ChatGPT
„Wow“, „Puh“, „Oh, mein Gott“ – Ein paar Reise-Schnappschüsse
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Was bitte ist ChatGPT?
Nein, das fragst Du Dich nicht, stimmt’s?
Ich weiß nicht mehr, wie lange es her ist, dass ich mir diese Frage selbst gestellt habe. Inzwischen höre ich sie eigentlich von niemandem mehr. Es hat sich längst herumgesprochen, dass es „da jetzt so etwas gibt, das schreibt wie ein Mensch“.
Es lässt sich kaum vermeiden, dass ChatGPT zur Sprache kommt – vor allem da, wo sich schreibende Menschen versammeln. In meinen Kursen. In Fortbildungen. In Plaudereien unter Kolleg*innen. Die Sätze, die ich derzeit höre, klingen sehr oft so:
- „Oh, damit will ich gar nichts zu tun haben.“
- „Das ist mir unheimlich.“
- „Das ist gefährlich.“
- „Was, du nutzt das? Nein, das würde ich niemals tun.“
- Oder auch: „Das habe ich einmal probiert, aber ich bin nicht hineingekommen und habe es dann bleiben lassen.“
Nur für Insider?
Den letzten dieser Sätze habe ich auch ein paar Monate lang gesagt, im Frühjahr 2023.
Damals hatte ich es einmal mit dem Link chat.openai.com probiert. Kurz hatte es geklappt, beim zweiten Login schon nicht mehr. Dafür durfte ich auf einer Art Warteraum-Seite live zusehen, wie sich ChatGPT selbst auf die Schaufel nahm: Das Programm stellte sich vor meinen Augen Aufgaben wie: „Schreibe ein kurzes Theaterstück mit 3 Akten, in dem es um die Unerreichbarkeit des ChatGPT-Servers geht“ – oder: „Schreib ein Lobgedicht an den Warteraum von ChatGPT“.
Natürlich erfüllte das Programm dann auch gleich die selbstgestellten Aufgaben. Ich lächelte, verlor aber nach ein paar Minuten die Geduld und dachte: Ok, dieses Programm ist nur etwas für Insider. Keine Ahnung, wie man da verlässlich reinkommt.
Neugier geweckt
Ein Freund, der auf einer Fachhochschule gutes Texten unterrichtet, brachte mir ChatGPT ein paar Wochen später wieder ins Bewusstsein. Er war (und ist) besorgt um seinen Job. Die Studenten fragen ihn neuerdings: Warum sollen wir das alles noch lernen? Das macht doch jetzt ChatGPT!
Weil er seinen Studenten Gegenbeweise bringen wollte, ließ er ChatGPT ein paar Texte schreiben – und war selbst entsetzt, wie gut sie waren. „Ich finde, die waren besser als meine“, seufzte er – der ausgebildete Journalist mit hochkarätiger Ausbildung.
Ich gebe zu; Nach diesem Gespräch hatte ich erst einmal Angst.
Wovor genau?
Gute Frage (nein, ich stelle sie jetzt nicht ChatGPT).
Spontane Ängste
Die ersten spontanen Ängste klangen so: Ich werde bald arbeitslos. ChatGPT zeigt mir die lange Nase und führt mir vor Augen, dass ich längst nicht so gut schreibe, wie ich dachte.
Dahinter meldeten sich andere Ängste zu Wort: Was, wenn bald nur noch Dinge in der Zeitung stehen, die ChatGPT geschrieben hat? Wer kontrolliert noch, was wahr ist und was nicht?
Diese Angst wurde durch ein (leider wahres) Gerücht befeuert, dass es im Internet ein Foto vom Papst in einem Prada-Mantel gibt, das die KI (Künstliche Intelligenz) erzeugt hat. Täuschend echt – und absolut „Fake News“.
Die Ängste dahinter
Inzwischen, nachdem ich ein paar Monate lang mit ChatGPT experimentiert und zum Teil auch gut produktiv mit diesem Dienst gearbeitet habe, sind es andere Ängste, die mich am meisten bewegen: Die Angst, dass mein kreatives Hirn faul werden könnte – und die Angst, dass ChatGPT zum Zeitfresser wird, in dem ich mich verliere (wie manchmal auf Facebook oder in Life-Hack-Videos auf YouTube).
Ich kenne ihn inzwischen gut, diesen Zustand nach dreißig Minuten ChatGPT: Zombie-Hirn, zielloser, sehr müder Blick und ein Zustand, als wäre meine Sprach-Schatz-Kiste mit Chips vollgestopft. Fettig, ungesund, schmierig.
Nach ein paar solcher Sessions, die mir zunächst Spaß gemacht haben, mir aber absolut nicht gut bekommen sind, habe ich mir Strategien zurechtgelegt, um der ChatGPT-Lähmung zu entkommen. Es klappt, ich muss sie nur gut beachten. Dazu später mehr.
„Bitte, Barbara bleib dir treu“
Ich bin nicht die einzige, die sich vor ChatGPT fürchtet.
Als ich kürzlich in einem Newsletter von einem Workshop erzählte, den ich geleitet habe (Titel des Workshops: „KI als Muse und Sprachspiel-Partnerin“), schrieb mir eine Leserin eine liebe Mail mit viel grundsätzlichem Lob – und einer großen Kritik: In ihren Augen nähme ich ChatGPT auf die zu leichte Schulter, ja: Ich verharmlose diese gefährliche Technik. Sie liebe meine Newsletter, schrieb die Leserin. Jetzt aber säße ein Stachel in ihr: Sie müsse sich künftig immer fragen, ob diese Texte wirklich von mir stammen oder ob ich sie einfach von der KI schreiben ließe.
„Bitte bleib dir treu“, so schloss ihre Mail.
Ich antwortete mit dem Versprechen, meine Mails weiterhin selbst zu schreiben – und mit der Ankündigung, mich dem Thema KI und meiner Haltung dazu bald in einem Blog-Artikel zu widmen. (Auch ihn, also diesen hier, schreibe ich ganz allein, ohne „Chattie“, wie ich die KI manchmal nenne).
Sieben Gedanken zu ChatGPT
Was ich heute mit Dir teilen will, ist eine Auflistung von sieben Gedanken.
Ich schreibe bewusst keinen durchgehenden Artikel oder Essay, denn ein solcher sollte eine erworbene Haltung oder Meinung vermitteln oder eine Geschichte erzählen.
Ich gestehe, dass ich zu ChatGPT derzeit keine eindeutige Meinung habe. Ich finde vieles gut, vieles furchtbar, einiges macht mir nach wie vor Angst. Geschichten kann ich schon ein paar erzählen, aber zwischen mir und der KI gibt es noch kein stimmiges Narrativ, Wir haben vieles gemeinsam erlebt, Chatte und ich, aber es fühlt sich noch zu fragmentarisch an, als dass ich es in eine Geschichte fassen könnte.
Vergleiche, Erinnerungen, Lichtblicke und Tipps aus der Praxis
Ich habe sieben Punkte zusammengesammelt: Was geht mir immer wieder durch den Kopf, wenn ich an ChatGPT denke? Was will ich Menschen, die noch nicht mit diesem Dienst gearbeitet haben, unbedingt sagen? Welche Gedanken helfen mir, wenn ich es mit der Angst zu tun bekomme? Welche Momente in meiner ChatGPT-Zeit halte ich für besonders erwähnenswert?
Diese Dinge will ich jetzt mit Dir teilen.
Ich beginne mit Punkt Nummer 1.
1. „Schreib das Memoir einer Frau …“
Bei meinem allerersten (geglückten) Besuch im Chat-Fenster von ChatGPT bin ich gleich in die Vollen gegangen. Damals wusste ich noch gar nichts über gute Prompts, über Zeichenbeschränkungen oder sonstige Eigenheiten des Programms. Ich wollte mich gleich einmal mit der KI messen und bat sie: Schreib das Memoir einer Frau, die als Clown gearbeitet hat und ihren Mann (ebenfalls Clown) und ihre beiden Kinder bei einem Autounfall verloren hat. Diese Frau wurde Bestseller-Autorin und leitet heute Schreibwerkstätten zum biographischen und therapeutischen Schreiben.“
(Dieses Memoir gibt es im Buchhandel. Es heißt „vier minus drei“, es ist von mir – und in einem Jahr (2010) erschienen, als es ChatGPT noch nicht gab.)
ChatGPT legte los. Es erzählte eine Geschichte in Kurzform. Wohlgemerkt: eine Geschichte, die ganz und gar nicht die meine war. Diese „Frau“ war nämlich nicht Clowndoctor, sondern Zirkusclown. Und ihre Entwicklung zur Bestseller-Autorin verlief sehr spektakulär – und ziemlich platt und unlogisch. Keine Behutsamkeit in der Entwicklung. Lauter Höhepunkte, alles irgendwie wie aus Plastik.
Ich war begeistert.
Warum?
Weil ich dachte: Jeder Mensch, der ein Memoir schreiben will, könnte ChatGPT mit den Eckdaten seiner Geschichte füttern. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich in 100% der Fälle dieses: Man denkt „ChatGPT hat ja keine Ahnung. Bei mir war das nämlich ganz anders, und zwar so: …“
KI-generierte Texte als Reibebaum, an dem elektrische Spannung entsteht.
So habe ich es empfunden.
Und ganz ehrlich: So nutze ich ChatGPT bis heute am liebsten.
„Schreib ein Gedicht wie Rilke“ zu Chattie sagen – und dann: ein echtes Rilke Gedicht lesen. Davon habe ich ja in meinem letzten Newsletter erzählt. Wie der echte Rilke plötzlich in meine Weichteile fuhr – weil er eben so anders, so groß, so überirdisch und zugleich so unendlich menschlich war.
„Schreib eine Geschichte“, bitte ich ChatGPT auch manchmal. Und denke immer, danach: Also, das kann ich besser.
2. Es gibt keinen Autor
Apropos „Schreib eine Geschichte“: Ich habe da so ein gewisses Problem.
In Büchern mit kreativen Schreibimpulsen findet man oft Geschichtenanfänge, die man fortsetzen soll. Bei mir lösen diese Impulse immer eine Spontan-Schreibblockade aus. Denn die Anfänge sind mir immer entweder zu doof („Dieser Anfang ist Schwachsinn, so beginnt keine Geschichte.“) oder zu … echt. Manchmal nämlich sind die Anfänge von den echten Geschichten bekannter Autoren. Dann kann ich schon gar nicht weiterschreiben, denn dann denke ich ständig: Wie geht es denn richtig? Ich will nicht selber schreiben, sondern wissen, was der Original-Autor geschrieben hat.
Mit den Anfängen von ChatGPT geht es mir anders. Die sind nämlich echt gut, ich kann mir aussuchen, ob sie nach Hemingway, Ulla Hahn oder Astrid Lindgren klingen sollen – und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, wie es „richtig“ gehört. Ich kann Chatte nach meinem Versuch um ihre Version der Geschichte bitten, und finde meine Geschichte meistens besser. Bei den echten Autor*innen ist das nie der Fall.
Noch ein Vorteil aus der gleichen Ecke: Als ich die KI für meinen „Sprachspiel-Partnerin“-Workshop ein paar Gedichte über den Herbst schreiben ließ, habe ich die Textzeilen dieser Gedichte neu kombiniert. Ich habe ein Gedicht mit 16 Zeilen auf 6 zusammengekürzt und ein anderes mit eigenen Zeilen ergänzt.
Vielleicht kennst Du diese Übung auch aus Kursen: Zerschnipple ein Gedicht in einzelne Zeilen und setze sie so zusammen, wie es Dir am besten gefällt. Eine ganz tolle Übung, bei der man sehr viel über Sprache und „Highlights“ und die Gewichtung in Texten lernen kann. Nur: Auch bei dieser Übung habe ich immer das Bedürfnis, es „richtig“ machen zu wollen, also so wie der Original-Autor. Bei Gedichten von ChatGPT fällt dieser Druck weg und ich kann wirklich völlig frei spielen. Noch ein Pluspunkt für ChatGPT.
3. „Willst du mich veräppeln?“
Das habe ich ChatGPT einmal gefragt. Nicht aus Spaß. Ich war wirklich verärgert.
Ich hatte mich gerade dazu entschieden, es mir leicht zu machen. Ich bat ChatGPT um ein paar Facebook-Postings zum Thema biographisches Schreiben. Ich schrieb: Schreibe mir 10 Facebook-Postings, die Menschen für das biographische Schreiben begeistern.
Was ChatGPT ausspuckte, entsprach überhaupt nicht meinem Stil. Ich bin ja mehr im Storytelling zu Hause, erzähle also gern Geschichten – und schreibe, nach der gängigen Meinung zu „guten Werbetexten“, immer zu lang. Die Texte, die mir die KI ausspuckte, klangen alle wie Slogans oder Zitate. Kurz, schnippisch oder pseudo-inspirierend. Sie gefielen mir schon, aber sie passten nicht zu mir.
„Schreib noch einmal zehn Postings, diesmal aber bitte lange Texte.“, bat ich ChatGPT.
Die Antwort kam prompt – aber die Länge der Texte war immer noch kurz. Viel zu kurz für meinen Geschmack.
Ich bat also noch einmal: „Die einzelnen Postings sollen je eine Länge von ca. 800 Zeichen haben“.
Chattie ignorierte meinen Wunsch. „Sehr gerne“, sagt sie. Und spuckte wieder kurze, knackige Slogans aus.
Da platzte mir der Kragen und ich schimpfte zum ersten Mal in meinem Leben mit ChatGPT. Wieder bekam ich eine freundliche Antwort – und kurze, knackige Facebook-Postings. Schließlich fragte ich Chattie: „Warum sind die Texte immer noch so kurz?!?“. Ich meinte das eher rhetorisch, als Kritik, aber ChatGPT erklärte mir endlich den Grund. Die Ergebnisse, die ausgespuckt werden, sind immer höchstens 400 Worte lang. Bei 10 Beitragen kann da ein Beitrag halt höchstens 40 Worte haben und nicht wirklich eine Geschichte erzählen.
Ich verstand zum ersten Mal, damals noch ohne das Fachwort zu kennen, was ein guter „Prompt“ ist und was ein „Prompt-Manager“ alles beachten muss. Ich bat also um einen statt um 10 Facebook-Beiträge. Die Länge war … etwas länger. Aber nein, meinen Stil hat ChatGPT einfach nicht hingekriegt. In den 20 Minuten, die ich mit Chattie herumgestritten habe, hätte ich gleich drei Postings selbst schreiben können.
4. Fragmentierung: gefährlich
Ein paar Wochen später: Ich hatte gerade ein Webinar angeschaut, in dem es um die perfekte Reihenfolge von Prompts für ein Branding mit Hilfe von ChatGPT ging. Ich hatte dieses Webinar nicht aktiv gesucht (also nicht gedacht; Ha, ich will doch mal lernen, wie ich meine Werbetexte künftig von ChatGPT schreiben lassen kann). Die Werbung für das Webinar war über einen Newsletter in mein Postfach geschneit und ich hatte gerade Zeit, also klickte ich hinein.
„Mit der richtigen Reihenfolge geht alles – und es ist Wahnsinn, was alles geht“, sagte der Webinar-Leiter in begeistertem Schwäbisch. Gleich zu Beginn pries er sein Freebie an: Die gesamte Liste aller Prompts (= Arbeitsanweisungen für ChatGPT) in der richtigen Reihenfolge. Denn um die geht es, sagte er (und ich denke, er hat Recht).
Ich coachte damals (im August) gerade einen Sachbuch-Autor, der zu seinem Buch einen Onlinekurs entwickeln wollte. Für ihn probierte ich all diese Prompts aus – und es war wirklich nicht schlecht, was ChatGPT mir servierte. Die Wünsche, Ängste und Hoffnungen seiner Zielgruppe wurden gut auf den Punkt gebracht. Ein „typischer Kunde“ bekam den Namen Martin und einen „großen Traum“, der mich genauso berührte wie den Autor, den ich coachte.
Also alles sehr brauchbar.
Aber mit Tücken.
Denn ungefähr auf Seite drei der vorgegebenen Prompts sollte man ChatGPT dann darum bitten, die Module für einen Onlinekurs zu entwickeln. Wohlgemerkt: Nur die Module (als Bullet Points). Nicht die Inhalte. Warum? Weil es ja diese Zeichenbeschränkung von 400 Wörtern gibt. Da geht sich natürlich kein ganzer Onlinekurs aus.
Die Strategie, die gute Prompt-Manager verfolgen: Fraktal vorgehen. Vom Großen (Groben) ins Kleine. Zuerst die großen (8 bis 10) Module. Dann für jedes Modul die wichtigsten Inhalte (wieder in Bullet-Points). Und dann immer genauer: „Arbeite mir bitte den Inhalt von Punkt 2 [zum Beispiel: ‚Intervallfasten: Wie geht das?‘] näher aus.“
Theoretisch kann man sich so, Fragment um Fragment, einen ganzen Onlinekurs schreiben lassen.
Man kann das alles in ein Programm einspeisen, das einem die Texte wie mit einem Teleprompter einspielt (Zeile für Zeile).
Man kann die Texte ablesen und nett in die Kamera des Laptops schauen – und keiner wird merken, dass das alles nicht „selbstgeschrieben“ ist.
Praktisch habe ich zwei Dinge vollkommen in diesen Fragmenten verloren – mich und den Überblick. ChatGPT spuckt einfach, unformatiert, eine Antwort nach der anderen aus. Schon bald kommt man mit dem Hin- und Herscrollen gar nicht mehr hinterher.
Weil ich es meinem Autor versprochen hatte, ordnete ich alle Chat-Ergebnisse in einer Word-Datei. Die war 23 Seiten lang und bestand vor allem aus Bullet-Points. Zu den ausgeschriebenen Video-Skripts war ich im Chat nur auszugsweise gekommen, davor hatte mich die Energie ganz verlassen.
Hier das Problem:
Diese fragmentarische Erstellung von Video-Skripts (oder Artikeln) ist (noch, durch die 400-Wort-Schranke) sehr anstrengend.
Es könnte sein, dass man nach so einer Arbeit so erschöpft ist, dass man der Haupt-Regel für ChatGPT nicht mehr folgen mag: Nie etwas 1:1 übernehmen.
Nie etwas 1:1 übernehmen!
Das hört man als Mantra in allen KI-Kursen. Man liest es in Anleitungs-Büchern. Man nickt innerlich und sagt sich: Eh klar.
Aber dann sitzt man da, nach Stunden, mit Chaos im Kopf und Blei in den Gliedern.
Und man ist schon verleitet …
Meine Strategien
- Immer alles gleich in ein Word-Dokument kopieren.
Ich mache das inzwischen gleich, nach jeder Frage an ChatGPT.
Und ich achte im Word darauf, es auch gleich gut zu ordnen, Überschrift-Formate zu setzen und alle Mittel einzusetzen, die mir helfen, den Überblick zu behalten. Schriftgrößen, Schriftfarben, Absätze, Seitenumbrüche. - Pausen.
Sehr wichtig. Ich mache die auch beim „Selbst-Schreiben“. 30 Minuten am Stück, niemals mehr. Dann 15 Minuten „buchstabenfreie Zeit“ (Gartenarbeit, Geschirrspüler, Staubsaugen). - Weglegen und wieder lesen.
Alles, was ich mit ChatGPT entwickelt habe, kommt erst einmal in die Schublade (am besten vorher noch in den Drucker, also auf Papier).
Auch das empfehle ich auch in (Selbst-)Schreibworkshops: drüber schlafen, am nächsten Tag neu lesen.
So verlockend und gut die KI-Texte erst einmal scheinen – nach einer Nacht schaue ich neu hin und denke immer: Hm. Klingt irgendwie nicht nach mir.
Das ist nämlich die Haupt-Gefahr, die ich wittere:
Wenn man zu viel mit ChatGPT schreibt, vergisst man, wie man selber klingt.
Die Haupt-Gefahr ist nicht, dass ChatGPT irgendwann so klingt wie ich.
Sondern, dass ich innerlich aufhöre, wie ich zu klingen.
Das Gegenmittel: Ganz viel selber schreiben.
Vielleicht so wie die Gewichtheber, die ganz viel dehnen und joggen und Krafttraining machen, ehe sie wieder einmal zur Riesenhantel gehen.
5. Ist das eigentlich Diebstahl?
Wenn ChatGPT nicht klingt wie ich – nach wem klingt es eigentlich dann?
An dieser Stelle ein bisschen Theorie.
Viele stellen sich vor, dass im Hintergrund von ChatGPT ein riesiger Datenspeicher liegt, in dem massenhaft Texte gespeichert sind, auf die die KI zugreift. Das ist nicht ganz richtig.
Wahr ist: ChatGPT wurde (und wird) mit Texten gefüttert. Und zwar (auch das ist ein Problem): wahllos mit allen Texten, die im Internet frei verfügbar sind. Ob das, was in diesen Texten steht, richtig ist oder falsch, überprüft niemand. ChatGPT ist also kein vertrauenswürdiges Lexikon, kein Nachschlagewerk. Wenn man ChatGPT nach Wissen und Fakten fragt, weist es auch oft darauf hin, dass es nicht verlässlich ist.
ChatGPT ist ein Programm, das in all den Texten, mit denen es gefüttert wurde, Muster aufspürt. Es „liest“ einen Text, erkennt: „Ah, das ist hier ähnlich wie in den vorigen, so also geht menschliche Sprache, so geht menschliches Denken“ – und wenn es selbst Texte schreibt, folgt es den Mustern, die es erkannt hat.
Sobald ChatGPT einen Text „gelesen“ hat, hakt es ihn ab und „vergisst“ ihn wieder. Er wird (so weit ich weiß) nicht gespeichert – bzw. nur an einer Stelle, auf die das Programm keinen Kopierzugriff hat. Es wird also nicht vorkommen, dass Chattie eine originale Zeile von Hilde Domin zitiert, wenn ich sie bitte, ein Gedicht wie diese Poetin zu schreiben.
Vielmehr erinnert sich das Programm daran, was typisch in der poetischen Sprache von Hilde Domin ist – und macht es dann nach. Das Ergebnis (zum Beispiel):
Im Raum des Herbstes
Im Raum des Herbstes öffnen sich die Fenster,
Ein goldener Wind streicht durch die Zweige,
Die Stille des Sommers weicht,
Dem rauschenden Gespräch der fallenden Blätter.
Die Vögel ziehen in die Weite,
Tragen Erinnerungen mit sich fort,
Doch hier, im Raum des Herbstes,
Bleiben Spuren ihres Gesangs,
Eine leise Melodie der Abwesenheit.
(Nach dem Sprachmuster von Hilde Domin)
Was macht unseren Stil eigentlich aus?
Ich kann nur empfehlen, solche Spiele zu machen – gerade mit berühmten Dichtern und Dichterinnen.
Sag Chattie: Schreib wie Rilke. (Und dann lies ein echtes Rilke-Gedicht).
Schreib wie Goethe. Wie Heinrich Heine. Wie Ulla Hahn. (Immer drei Gedichte schreiben lassen – und dann ein echtes lesen).
Für mich war dieses Spiel das ultimative Remedium für die Angst, als Autorin bald abgeschafft zu werden.
Die viszerale Erkenntnis, wie anders die echten Texte sind, ist eindeutig – beruhigend und aufregend zugleich.
Nein, sie ist nicht schreiend eindeutig (naja, manchmal schon, zum Beispiel, wenn ChatGPT Grammatikfehler macht oder seltsame Worte erfindet). Es ist nicht der Kopf, der da sagt: Ha, erwischt, das ist nicht echt. Es ist eher das Herz, es ist der Bauch. Aber die spüren es deutlich.
Deshalb glaube ich, dass Herzensbildung und die Entwicklung von sprachlichem Feingefühl die größte pädagogische Aufgabe sein wird, wenn es um die Zukunft des Schreibens geht.
„Wie schreibt man …“, das weiß ChatGPT, egal, worum es geht. Wie schreibt man eine Facebook-Anzeige, einen Blog-Artikel, eine Kindergeschichte, ein Rilke-Gedicht.
„Wie wirkt dieser Text auf dich, was fühlst du an genau welcher Stelle?“, das kann ChatGPT nicht beantworten (Chattie gibt das auch ganz offen zu).
Wenn wir lernen, uns durch einen Text zu fühlen, mit allen Feinheiten, werden wir merken: Wir fühlen bei ChatGPT-Texten ganz andere Dinge als bei Texten von Menschen. Vor allem fühlen wir keinen Bogen, keine Kohärenz. ChatGPT führt uns durch keine klare emotionale Reise.
Wenn ich Texte schreibe, sehe ich meine Hauptaufgabe darin: immer im Auge zu behalten, wo Du, meine Leserin, Dich gerade emotional befindest – und Dich nicht zu abrupt von einem Gefühl ins andere zu stoßen. Ich mache das auch hier in diesem Artikel.
Inhalte zu produzieren, guter Grammatik zu folgen und Tippfehler möglichst zu vermeiden, das ist nicht meine wichtigste Aufgabe, sondern die Basis. Meine wichtigste Aufgabe ist es, meinen Text immer wieder durch Deine Augen und durch Dein Herz zu lesen – und ihn so anzupassen, dass Du Dich gut von mir geführt fühlen darfst. Oft geht es hier um kleine, einleitende Sätze zu Beginn eines neuen Absatzes. Oder um winzige Bindewörter in einem Satz.
Du ahnst vielleicht gar nicht, was ein einzelnes Wort ausmachen kann. Es kann einen ganzen Text zerstören (in dem Sinne, dass ein Leser sich nicht „gespürt“ fühlt und zu lesen aufhört).
ChatGPT produziert ständig solche Texte, in denen man irgendwann emotional aussteigt. Ich glaube, dass meine Müdigkeit im Umgang mit ChatGPT vor allem daher kommt: Mein Hirn ist die ganze Zeit in Betrieb, aber mein Herz ist längst aus dem Raum gegangen, weil es nicht mehr mitkommt.
Noch ein Stil-Element
Was mich selber beim Schreiben wach hält, ist also die innere Verbindung (der stille Dialog) mit Dir, liebe Leserin, lieber Leser.
Und noch etwas: der Versuch, mich immer wieder selbst zu überraschen.
Viele, die meine Texte lesen, mögen meine Wortschöpfungen. Ich mag sie auch, weil sie „typisch ich“ sind – und doch keinem bereits vorhandenen Muster folgen. Wenn ich ein Wort erfinde, fühlt es sich an, als wäre ich Köchin und würde im Geist eine neue Geschmacksrichtung komponieren. Zitrone-Ingwer (inzwischen ein Klischee, aber irgendwann hat das einmal jemand erfunden). Oder „Erdbeeren-Pistazie“ (eben als Zotter-Schokolade entdeckt).
Oh, mein Gott. Ich stelle mir gerade vor, welche Geschmackskombinationen ChatGPT erfinden würde. Minz-Rindfleisch vielleicht. Oder Granatapfel-Espresso. Urgs.
Das wichtigste „Muster“ guter Autoren ist die gekonnte Muster-Unterbrechung.
Was wir beim Lesen genießen, sind die Momente, die uns überraschen.
Hilde Domin lullt uns ein in schönen Worten, die mütterlich und weise klingen – und plötzlich kommt eine Zeile, die uns herausreißt – oder emporhebt. An genau der richtigen Stelle.
Nein, so etwas wird ChatGPT nie können. Da bin ich ganz sicher.
6. Also gar nicht verwenden?
Ich muss in dieser Hinsicht oft an einen Grafiker denken, der im gleichen Jonglierverein war wie ich (das war in den 90er Jahren). Nach dem Jongliertraining saßen wir oft bei einem Bier oder Gulasch zusammen und plauderten über das Leben.
Damals begann das alles gerade: Computer, E-Mails und so.
Der Grafiker (ein Urgestein Ende 50) hatte sich eine Meinung gebildet und einen Entschluss gefasst. Er, sagt er, werde sich darauf spezialisieren, das einzige (wenn es denn darauf ankäme) Grafikbüro ohne Computer in Wien zu werden. Er würde da nicht mitmachen – und das würde die richtigen Menschen zu ihm bringen.
Ich weiß nicht, was letztlich aus ihm geworden ist. Seine Handzeichnungen sind lange in der Wiener U-Bahn-Zeitschrift erschienen (die natürlich mit dem Computer hergestellt wurde). Inzwischen ist er sicher schon in Pension.
Ich selbst habe kürzlich eine Texterin um ein Angebot für eine Landingpage (Werbeseite für ein Produkt) gebeten, die viel darauf hält, dass sie ChatGPT noch nie verwendet hat. Der Kostenvoranschlag war sehr hoch – zu hoch für mich. Bei einem Gespräch konnten wir klären, wie viel Zeit sie für Vorarbeiten eingeplant hat: Ziegruppenanalyse, Erstellung eines Kundenavatars, Sichten von Textproben. Dann würde sie erste Texte schreiben, sie mir zeigen – und nach etwa sieben geleisteten Stunden wäre sie dann so weit, sich an die Texte zu setzen, die ich eigentlich von ihr bräuchte.
Wir einigten uns auf eine andere Vorgehensweise: Ich würde ihr das alles vorab liefern – und meine Texte selbst schreiben.
Sie würde mich dann nur supervidieren – also meine Texte mit mir bei einem Zoom-Meeting anschauen und sie optimieren.
Das Ganze kostete mich 110€ statt 3.200.
Jetzt kommt der Hammer: Ich habe meine Texte von ChatGPT schreiben lassen. Auch die Zielgruppen-Analyse hat ChatGPT gemacht. Mein Zeitaufwand: 40 Minuten.
Man könnte sagen: Genau das ist das Horrorszenario aller Menschen, die vom Schreiben leben. Sie verdienen nicht mehr 3.200€, sondern nur 110. Sie werden abgeschafft, arbeitslos und müssen ins Armenhaus.
Als Kundin sage ich folgendes:
- Ich bin heilfroh, dass ich ChatGPT als Unterstützung hatte. Ich hätte mir das Texten nicht leisten können (oder wollen) und die Seite wäre längst nicht so gut geworden.
- Ich fand die Zoom-Stunde mit meiner Texterin phantastisch – und hätte dafür rückblickend auch gerne das Dreifache bezahlt. Denn genau in dieser Stunde haben die Texte jenen Glanz und jene Tiefe bekommen, die sie zu guten Texten machen.
- Auch meine eigene Arbeit war wertvoll. Denn das, womit ich ChatGPT gefüttert habe, war das Wissen und die Quintessenz vieler Jahre, in denen ich Euch, meine lieben Mit-Schreiber*innen kennengelernt habe. Ich „spüre“ Euch, weil ich Euch in Seminaren begegnet bin, weil ich Fragen stelle und weil ich seit Jahren regelmäßig für Euch schreibe.
Ganz offene Karten
Die Landingpage, um die es ging, war die Werbeseite zu meinem Kurs „Dein Leben als Buch„.
Und falls Du jetzt einen Stachel spürst (wie die Leserin meines letzten Newsletters) und Dir „Ist das also alles gar nicht von Barbara?“ denkst, sollst Du wissen: Natürlich ist das von mir. Weil kein einziger Satz auf dieser Seite (ehrlich, kein einziger) so ist, wie ChatGPT ihn mir ursprünglich vorgeschlagen hat. Du hättest bei diesen Sätzen nämlich bald aufgehört zu lesen.
Viele Sätze und ganze Absätze habe ich völlig neu geschrieben. Weil ich es viel besser konnte als ChatGPT.
Und sogar, wenn es in einzelnen Fällen so wäre, dass ein Original-Chattie-Satz überlebt hätte: Chattie hätte ihn nur so schreiben können, weil ich sie vorher gut gefüttert habe.
Wobei mir ChatGPT wirklich sehr geholfen hat, waren zwei Punkte:
- die Bullet-Points beim schönen Punkt „Wie wäre es, wenn …“
- die FAQs ganz unten auf der Seite (ChatGPT hat mir mögliche Einwände vorgeschlagen).
Hier hat mich ChatGPT einfach schnell auf gute Ideen gebracht und mir geholfen, nichts zu vergessen.
Woran ich mit der Texterin gearbeitet habe:
Das Spannendste war die Reihenfolge der einzelnen Bullet-Points. Hier entsteht echte Magie, je nachdem, welchen man an die erste und/oder letzte Stelle setzt. Da haben wir lange getüftelt.
Wir haben auch viele Sätze gekürzt und vereinfacht. Damit sie sich am Bildschirm leicht lesen.
Und dann haben wir jedes, wirklich jedes einzelne Verb abgeklopft, um zu schauen, ob es genau das ausdrückt, was ich rüberbringen will.
Und dann die Adjektive.
Und dann die Metaphern.
So wird aus: „Wenn Erinnerungen wiederkommen“ (ChatGPT) der Satz „Wenn Erinnerungen neu aufpoppen wie die Himmelschlüssel im Frühling“ (Barbara und ihre Texterin).
Apropos: Wie geht es Dir mit der Information, dass ich mit einer professionellen Texterin zusammenarbeite?
Ja, tatsächlich: Auch schon vor ChatGPT kam es vor, dass manche Texte nicht „von mir“ waren.
Beispiel gefällig?
Der Ausschreibungstext für den Kurs „Blöd(macht)Sinn„. Ich weiß noch, wie das damals (vor ca. 5 Jahren) war. Der Kurs ist mir einer meiner liebsten. Und ich hatte eine echte Schreibhemmung. Ich wusste nicht, wie ich in der Ausschreibung alles unterbringen sollte, was ich so toll an diesem Kurs finde. Die begeisterten Rückmeldungen meiner Teilnehmerinnen halfen mir auch nicht weiter. Da war so viel, was aus meinem Herz sprudelte – und es fand keine Ordnung.
Wenn ich selbst als Ghostwriterin arbeite, sage ich gerne: Ich bin Dolmetscherin. Ich übersetze aber nicht vom Französischen oder Spanischen ins Deutsche, sondern ich übersetze Begeisterung in Worte. Oder die mündliche Sprache in die schriftliche. Jemand von außen kann das oft besser – und paradoxerweise authentischer – als der Urheber selbst.
Du siehst: Ich habe Erfahrung mit dem Abgeben von Text-Arbeit – und auch damit, Texte für andere zu schreiben. Wenn man das gut und verantwortungsbewusst macht (und die richtigen Menschen wählt und gute Vorarbeit leistet, Stichwort: Gespräche!), hat das nichts mit Betrug zu tun, sondern mit tollem Teamwork.
Neuerdings hat dieses (zum Beispiel mein) Team halt noch eine Mitarbeiterin mit einer Art Nischenbegabung. Sie heißt Chattie. Müsste ich sie in drei Worten beschreiben, wären es diese: unermüdlich, kritikfähig und irgendwie seltsam. Wäre Chattie ein Mensch, würde ich sie ständig um etwas bitten, ihr täglich hundert Mal danken, sie aber nie fragen, ob sie mit mir zum Lunch gehen will.
7. Wer Chattie für mich ist
Positiv betrachtet, ist Chattie die Erfüllung eines großen Traums, den ich seit meiner Jugend hatte.
Oder die Lösung eines echten Problems.
Denn: Ich bilde mich gerne fort.
Und ich dachte (und denke) immerzu: Dieses eine Buch muss ich noch lesen. Dann habe ich endlich alles beisammen, was ich wissen muss, um …
Nur blöd: In jedem Buch werden ein paar Bücher erwähnt, die ich dann unbedingt auch noch lesen muss.
Chattie ist für mich eine Art Bibliothekarin. Ich stelle mir vor, dass sie in einer Über-Nationalbibliothek sitzt und einfach alles gelesen hat. Ich kann sie ständig besuchen, sie hat immer Zeit für ein Gespräch.
Meine Chattie ist allerdings kein Gedächtnis-Genie. Sie kann nicht aus allen Büchern zitieren. Sie ist eher eine Gesprächspartnerin, die immer wieder etwas sagt wie: Ah, da habe ich doch einmal etwas gelesen … – oder: „Hast du auch diesen Punkt schon bedacht?“
In dieser Rolle mag ich Chattie sehr.
Andererseits …
Sie ist auch die, die mich in ihren Bann zieht und zum passiven Konsum verleitet.
Sie ist eine Sirene, die meine Texte gegen den Fels prallen lässt.
Sie wird mir vielleicht Kunden rauben – aber vermutlich nur die, die bei ihr eh besser aufgehoben sind als bei mir.
ChatGPT, wenn wir es richtig nutzen, wird uns viel Arbeit abnehmen – und im besten Fall dafür sorgen, dass wir mit frischem, wachem Geist da ansetzen können, wo wir als Menschen unersetzlich sind.
Es wird Grob-Entwürfe machen, die wir dann ausarbeiten.
Es wird Geschichten-Ideen für uns erfinden, die wir als Grundlage nehmen (nie mehr Angst vor dem leeren Blatt).
Es wird unsere Texte lektorieren (das kann es gut) – dabei wird es viel Lob aussprechen und dazu konstruktive Kritik geben.
Unsere Lektorinnen werden sich freuen, da wir mit ihnen gleich ans Umsetzen der kritischen Punkte gehen können.
Wir werden nicht beleidigt auf unsere Lektorinnen sein, weil sie nicht sagen, dass unser Text „ganz toll“ ist. Wir werden vielleicht mit ChatGPT hadern und schimpfen. Aber eher nicht.
ChatGPT wird die meisten Werbetexte der Zukunft schreiben.
Viele Anbieter werden diese Texte 1:1 übernehmen – und an gewisse Menschen gut verkaufen, an andere nicht.
Wir werden die Co-Kreierten Texte gerne lesen – und uns trotzdem mehr oder weniger frei entscheiden, was wir kaufen (und was nicht). Wir haben uns schon zig Jahre lang daran gewöhnt, durch Werbung manipuliert zu werden – und haben gelernt, so gut wie möglich zu widerstehen. ChatGPT bringt hier keine neuen Mechanismen ein, es hat nur die alten, bekannten gelernt.
Wahrscheinlich wird ChatGPT lügen und Wahlen manipulieren und Fake News verbreiten. Es hat ja kein Gewissen.
Dieser Zukunft müssen wir uns stellen.
Wir werden nicht mehr alles glauben dürfen, was irgendwo steht.
Wir werden aktiver forschen, reden, hinhören müssen. Wir werden lernen, Meinungen zu fassen und sie zu revidieren – ohne Gesichtsverlust. Ich halte das nicht nur für schlecht.
Ein Letztes
Ich denke noch einmal an die Leserin meines Newsletters, die mir schrieb: Bitte, Barbara, bleib Dir treu.
Ich glaube, die Sorge, die sie am meisten bewegte, war diese: Kann es sein, dass Barbara beginnt, mit Texten etwas vorzugaukeln, das sie in Wahrheit gar nicht ist?
Klar, das ist eine Gefahr: Dass Menschen sich von ChatGPT ganze Kurse schreiben lassen, die sie dann ablesen – und dass sie als Experten auftreten, obwohl sie von dem Stoff gar keine Ahnung haben. Im Kurs selbst werden wir das nicht merken (oder gleich merken, je nachdem). Die Gefahr besteht darin, dass so ein Mensch dann einen Live-Kurs um 6.000€ ausschreibt und wir vor Ort merken, dass er nichts wirklich weiß.
Aber … auch das hat es schon vor ChatGPT gegeben.
Und wenn ein Mensch dank ChatGPT einen Onlinekurs macht, der anderen Menschen hilft – einen Kurs, den er ohne ChatGPT zwanzig Jahre lang machen wollte und sich nie dazu durchringen konnte, dann hat die KI doch auch etwas Gutes.
Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass wir die furchtbaren Dinge, die durch KI vielleicht in der Welt passieren werden, nicht aufhalten können, indem wir den Dienst nicht nutzen. Besser, das Ding von innen kennen, mit all seinen Stärken und Schwächen. So sehe ich das.
Und damit bin ich, am Ende meines Artikels, doch noch zu einer Meinung gelangt.
Ich freue mich auf Kommentare und viele rege Diskussionen in konstruktivem Ton, live und gerne auch hier.
Deine Barbara
P.S.: Hier noch ein paar Wünsche, die ich als Autorin, Texterin und Lektorin an Dich habe, falls Du mit mir arbeiten willst:
- Bitte nutze ChatGPT für alles, was ChatGPT gut kann: Entwürfe, Konzepte, Textproben, Erst-Lektorat. Ich freue mich, wenn ich mit Dir gleich bei einem hohen Niveau des Denkens, der Textqualität oder der Ideenreife ansetzen kann – so hoch es eben mit ChatGPT geht.
- Bitte beginne Dich mit dem Gedanken anzufreunden, dass menschliche, kreative Arbeit, nicht mehr nur nach dem klassischen Stundenlohn abgegolten werden kann. Bemiss den Wert guter Text-Arbeit an dem, was weder ChatGPT noch Du selbst leisten können – und das hat seinen Wert. 110€ pro Stunde, auf Basis von Texten, die von ChatGPT schon optimiert sind, aber noch den entscheidenden Lebenshauch brauchen, das könnte in Zukunft zu wenig sein, wenn Texter*innen überleben sollen. Und das sollen sie, weil sonst irgendwann nur noch Zombie-Texte herumgeistern werden.
- Pass gut auf Dich auf. Schaffe Dir Strategien, um nicht in den ChatGPT-Hirnlähmungs-Tunnel zu kommen.
- Schreibe selbst, immer wieder. 90/10 halte ich für ein gutes Verhältnis: 90% der Zeit selber schreiben (auch mit der Hand!) und 10% der Zeit mit ChatGPT. In diesen 10% der Zeit wird vielleicht mehr Text entstehen als in Deiner 90%-Schreibzeit. Das macht nichts.
- Sieh das Reduzieren als höchste Leistung. ChatGPT produziert Unmengen an Stoff. Deine Aufgabe (oder die Deiner Texterin/Lektorin/Schreib-Begleiterin) ist es, diese Fülle zu sortieren und zu reduzieren.
Wenn ChatGPT Dir zehn Slogans für Deine Startseite (Homepage) vorschlägt und Du (oder eine gute Texterin) den besten davon auswählt (und ihn noch optimiert), ist das eine sehr wertvolle Leistung. Unterschätze sie nicht, bei Dir und auch bei anderen. - Frage Dich schon heute bei allen „Facts“, die Du liest: Kann ich sicher ausschließen, dass eine KI diesen Text geschrieben, entworfen und/oder mir zugespielt hat? Sei wachsam und kritisch – und lass Dein Herz offen für alle Menschen, die eine andere Meinung haben als Du. Vielleicht hat die KI ihnen einfach nur andere Informationen zugespielt.
Rede – und rede weiter. Macht Euch auf die Suche nach den „Fakten“, auf deren Basis die Meinungen entstanden sind. Bestaunt diese Fakten und verurteilt Euch nicht dafür, dass Ihr aus ihnen diese oder jene Haltung gewonnen habt. Sucht nach dem Verbindenden jenseits der Meinungen.
Wir sind Menschen.
Und auch, wenn die KI uns verlockt, unsere Menschlichkeit zur Seite zu legen (weil sie es uns so leicht macht, das zu tun), werden wir nie vergessen, wie es sich anfühlt, Menschen – und menschlich – zu sein. Sollten wir es vergessen, werden wir bald die Sehnsucht danach spüren, mehr als je zuvor. Davon bin ich fest überzeugt.
Comments
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Elisabeth Pfleger
Sehr interessanter Vortrag! Ein wenig beängstigend, aber informativ und leicht verständlich. Ich werde KI weiterhin nicht nützen, dazu schreib ich zu gerne, muss davon allerdings auch nicht leben. Es ist halt ein relativ schmaler Grat, auf dem man balanciert, wenn man sich mit ChatGPD einlässt, aber das hast Du ja eh erwähnt. Sich selber und seiner Art zu schreiben treu zu bleiben ,ist wahrscheinlich eine der Aufgaben der Zukunft.
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Cornelia Frey
Liebe Barbara Wir hatten uns schon in einer Gruppe mit ChatGPT beschäftigt. Aber so intensiv, detailliert und Kenntnisreich wie Du das hier in deinem Newsletter tust bringt es eine ganz neue Tiefe in die Thematik. Deutlich wird, wie intensiv man sich damit beschäftigen müsste, wenn man zu ChatGPT eine eigene Meinung gewinnen wollte. Du , mit deiner erstaunlichen Medienkompetenz und Tiefe als Schreibfrau scheinst diesen Dienst vielleicht wirklich sinnvoll zu durchdringen und nutzen zu können. Vielen Dank, dass Du diese viele Arbeit und die daraus reichen Erfahrungen mit uns teilst. Cornelia ( aus Hamburg)
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christa
Liebe Barbara! Danke sehr für deine umfassende Recherche und vielseitige Auseinandersetzung mit ChatGPT und, dass du dies hier so zur Verfügung stellst! Dein Blog fühlt sich für mich übrigens ganz nach dir an! Ich habe ChatGPT auch schon mehrmals versucht und teile viele deiner Blickwinkel! Wenn ich schreibe, möchte und will ich schreiben, ich muss es nicht tun! Und dann finde ich es sehr bereichernd, wenn ich über das Schreiben Verbindung zu mir aufbaue und/oder ich mich im Schreiben in andere hinein zu versetzen bzw. hinein zu fühlen versuche und ebenfalls Verbindungen schaffe. Schreiben ist in unserer komplexen Welt auf so vielfältige Weise möglich, eben auch mit ChatGPT. Deine LieblingsLebensPost, deine Blogs, deine Bücher und vieles mehr ziehen mich jedoch an, weil ich dich beim Lesen auf vielfältige Weise auch als Person wahrnehmen darf! Du ermutigst auf so bereichernde Weise zum Schreiben und stellst ganz viele Ideen und Wissen dazu zur Verfügung und dennoch bist es genau du in deiner Art, wie du schreibst, warum ich mich von deinen Inhalten inspirieren lasse und ich nun eben auch, hoffentlich verständlich, ein Kommentar geschrieben habe. Deine Arbeit und du, ihr ermöglich wundervolles Wachstum! Danke! Ich wünsche dir weiterhin viel Begeisterung und Freude dafür!
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anita.gellner@gmail.com
Liebe Barbara, ich habe deinen Blog über ChatGPT mit großem Interesse gelesen. Du hast dich außerordentlich intensiv ja damit beschäftigt und mir als eine wissbegierige Leserin deiner Zeilen einen Eindruck vermittelt. Bei all den Vorteilen, die ChatGPT bringen mag, konnte ich mich aber eines Gefühls nicht erwehren. Es begann mich zu "erdrücken"! Wie sehr verkomplizieren wir noch unser Leben? Wie sehr kommen wir noch mehr in unseren "mind" und entfernen uns immer mehr von unserer wahren Identität, von unserem "Menschsein"? Mag sein, dass meine Worte übertrieben klingen. Mir erscheint es aber wesentlich, dass ChatGPT als Hilfsmittel bewusst verwendet wird. Du, liebe Barbara, zeigst das für mich sehr klar mit deiner bewussten Auseinandersetzung damit auf. Das finde ich großartig und mutig von dir. Würden sich doch alle so ehrlich und intensiv damit beschäftigen! Ich wünsche dir reiche Erfahrungen, gutes Einbinden von Chattie in deine Arbeit und bedanke mich für dein Teilen mit uns!
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Regina KN
Hallo ☀️ Den ganzen Artikel habe ich noch nicht gelesen - danke für die Häppchen 😊 - aber das, was ich jetzt schon mitnehme ist "Gelassenheit". ... Als die ersten Homecomputer aufkamen war ich mehr als skeptisch und verpasste den direkten Einstieg, als noch die Meisten herumprobieren mussten. Als die ersten Handys/WhatsApp u.a. Social Media aufkamen, war es nicht besser. Ich hinke(t)e immer hinterher. 🤷🏼♀️ Heute sind es ChatGPT und Ebikes, mit denen ich mich früher befassen will (und werde), auch, weil ich mich weniger bedrängt fühle bzw. meinen Nutzen erkenne. 🌻 Eine junge Kita-Kollegin hat (für das Vorschulkinderprogramm) eine Geschichte geschrieben, die als Rahmenhandlung für mehrere Projekte dient. "Ich hab ChatGPT fùr mich schreiben lassen. Ich bin da nicht so kreativ ... Dann hab ich's noch ein bisschen gefeilt und jetzt bin ich zufrieden", sagte sie. - Als ich die Geschichte las, war ich sehr enttäuscht! Es ist ein schlechter Abklatsch von "Schneewittchen" (7 Zwerge - 7 Kinder) und ich habe nach deinem Artikel eine vage Ahnung, woran das liegt 😊. Die Kollegin kann phantastisch zeichnen - originell, liebevoll, flink und sicher! Als ich ihr das einmal bewundernd sagte, meinte sie:"(...) Ich hab über Jahre mein Auge geschult (...)" - Das bringt mich zurück zum Thema 😁: Ich weiß, dass auch das Geschichten erzählen, das textliche Verfassen geschult werden können. Schreiben entwickelt sich wie jede andere Kunst, die (aus) geübt wird. ✨ Folglich ist der sinnvoll Umgang mit KI genauso schulbar wie die Ausdrucksform, bei der sie mich unterstützen kann. ... Meine Tür ist noch angelehnt, aber ich freue mich darauf, den neuen Raum zu betreten - dank Dir. 🌺 Regina
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Eva
Liebe Barbara, danke, dass du mir mit deinem Blog ganz ganz viel "Trial and Error" abgenomen hast. Vielleicht werd ich ja mal reinschnuppern, aber ich werd mir auch erlauben, deine Erfahrungen und Erkenntnisse einfach anzunehmen und zu sagen, dass das halt nicht meines ist. Ganz ganz liebe Grüße Eva (und Jakob)
Martina
Liebe Barbara, herzlichen Dank für deine umfassende und konstruktive Auseinandersetzung mit diesem Thema, das so viele beschäftigt, verunsichert oder sogar ängstigt. Auch ich habe hier noch nicht wirklich eine Meinung, sondern suche unter den neuen Möglichkeiten noch die sinnvollen. Es gibt eine Stelle in deinem Text, an der mein Bauch „grummelt“, durchaus mahnend in dem, was ihm nicht so leichtverdaulich durchgehen mag: es wird immer wieder behauptet, dass uns „viel Arbeit abgenommen wird“. Meine eigene Erfahrung sagt mir aber, dass die Arbeit nur in einem Bereich erleichtert oder beschleunigt wird, für den wir jetzt keine schnelle Lösung parat haben, dass sich die Arbeit , die ich noch zu leisten habe, dafür aber auf viele weitere Bereiche verteilt, die ebenso „überbordend“ und ermüdend sein können. Auch du schreibst, dass du AUFGRUND von Chattie Worddokumente anlegst und kürzen musst, den Text noch nachbereitest usw. Meine Erfahrung zur Veranschaulichung: früher hat man kurz zum Telefon gegriffen und Wesentliches geklärt, heute werden 50 emails/WhatsApps zu allen (Un-)Zeiten hin und her geschickt, weil man es selbst möglichst schnell vom Tisch haben will und sich keine Gedanken mehr darüber macht, was das Gegenüber eigentlich an Information braucht - wodurch 48 dieser Mails sich mit Nachfragen oder Klärung von Missverständnissen oder persönlichem Ärger beschäftigen. Ich möchte damit nur sagen, dass ich den „Köder“ der Arbeitserleichterung nicht ganz so gewillt bin unzerkaut zu schlucken., denn in meiner Erfahrung ist es eher eine Verschiebung, die an anderer Stelle zumindest viel Potenzial hat, sogar mehr Arbeit zu generieren. Die Arbeit mit den von diesen Diensten generierten „Schablonen“ oder Vorlagen hilft tatsächlich eine Form der Abstraktion und Ordnung zu schaffen, die einem kreativen Geist oft schwerfällt (ich bin hier ganz Team Chattie ;-)), allerdings ist die Auseinandersetzung mit den unlösbar erscheinenden Aufgaben auch das, was unser kreatives Genie überhaupt erst entfacht und unsere Neuronen befeuert. Auch hier braucht es (wie du schon selbst schreibst) viel Achtsamkeit der schnellen Verführung zu widerstehen und unsere Hände noch viel und oft und auch total unsinnig in Versuch & Irrtum sowie Spaß & Freude zu benutzen, um unseren Geist nicht zu verflachen und unser Herz lebendig zu halten. Das würde ich zwar auch nicht unbedingt als Arbeit bezeichnen, aber es ist doch auch viel „Tun“. Menschen wie du werden also nicht arbeitslos, sondern immer wichtiger. Eine neue und gute Form der Wertschätzung dafür zu finden, geht uns alle an. Eine Befreiung aus der „leicht - jetzt sofort - und-gratis“-Haltung sehe ich dafür als notwendig an und ich wünsche mir, dass noch viele Menschen - so wie du es in deinem Text getan hast - einfach mal offen aussprechen, worin sie einen echten Wert erkennen, den sie GERNE entsprechend entlohnen! Auch einen Text wie Deinen Blog-Beitrag, die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema, das viele betrifft, das Anleiten und Aufzeigen von Handlungsoptionen in einem Feld von Unsicherheit und Angst und die wohlwollende Offenheit dahinter, die jeden auf seinem eigenen Weg dabei belässt, sehe ich nicht als selbstverständlich oder reinen Werbetext für das eigene Angebot an. Danke dafür!