Im Sommer schreiben
Ein Straßencafé, ein Glas Limo und ein Stift in der Hand: Ja, so sehen Schreibträume aus. Findest Du nicht auch? In diesem Beitrag liefere ich Dir zehn gute Gründe, warum Du diesen Sommer wirklich nutzen solltest, um ausgiebig zu schreiben. Nicht nur im Urlaub, sondern auch daheim.
Denn ja, es gibt Schreibreisen – nach Griechenland und Kroatien, auf Almen in Österreich und zu Schwedischen Seen. Wenn meine Kursteilnehmerinnen von solchen Reisen erzählen, beginnen ihre Augen auch noch nach Jahren zu leuchten.
Ich selbst werde auch heuer an keiner solchen Reise teilnehmen können. Das Leben, die Kosten, es geht halt nicht alles. Aber: gerade der Sommer macht es mir möglich, auch zu Hause (oder beim Urlaub in meiner Nähe) das zu erleben, was ich mir im Winter als Urlaub ersehne.
Das Schreiben wird in diesem Sommer eine große Rolle spielen. Ich verrate Dir hier zehn Gründe, warum auch Du es einmal probieren könntest: einen Schreibsommer erleben.
Übrigens: Dazu passt der große „Tagebuchsommer!“ (Online-Impulse über 10 Wochen) und auch der Schreib-Begeister-Tag (live in Wien oder online, am 24. und 25.6.)
Grund #1: Zeit wird überbewertet
Wenn Menschen mich fragen, wie sie Zeit zum Schreiben finden sollen, sage ich oft: Such Dir keine Zeitfenster. Such Dir lieber einen schönen Ort, an dem Du gern schreibst. Und geh ab und zu hin.
Nun, der Sommer hat viele solche Orte zu bieten. Inszeniere Dir Dein Schreib-Bild von Dir selbst. Wo siehst Du Dich? Wie oben beschrieben, im Straßencafé bei einem Glas Limo? Oder in der Wiese, an einen Baum gelehnt? Vielleicht im Liegestuhl im eigenen Garten? Vielleicht auch im Bett, während die Sonne langsam aufgeht und das blaue Licht des Morgens das Schlafzimmer erfüllt.
Dein Schreib-Sommerplatz: Vielleicht bleibt er Dir über Herbst und Winter erhalten. Oder er wird zur heißen Sommer-Affäre, die nächstes Jahr wieder wartet und gar nicht älter geworden ist.
Grund #2: Es ist Halbzeit
Jedes Jahr im Dezember gebe ich Kurse, in denen wir Jahresrückblick schreiben. So ein Jahr ist sehr lang. Im Dezember erinnert man sich meistens sehr gut an den Herbst und auch an den Urlaub. Alles davor ist oft schon verblasst.
Im Sommer kannst Du zumindest zwei Monate halt- und erinnerbar machen. Wenn Du das im Dezember noch einmal liest, wird der Sommer wieder frisch – nicht nur in seinen Highlights, sondern auch in seinen zauberhaften kleinen Momenten.
Grund #3: Es gibt mehr zu sehen
Viele Menschen, die Tagebuch schreiben, beklagen, dass es sie melancholisch und nachdenklich macht. Das liegt daran, dass wir ins Tagebuch oft nur Gedanken und Innen-Ansichten schreiben. Beschreibungen der Außenwelt und Szenen finden sich eher in Romanen als in Tagebüchern.
Im Sommer spaziert die Welt an Dir vorbei. Du kannst Dur einfangen, was Dir gefällt, und es in Worte fassen. Dein Schreiben wird sinnlicher, wacher. Du siehst nicht nur, was ist, sondern auch das, was sich bewegt, denn im Sommer ist alles in Bewegung. Ganz automatisch ändert sich Dein Stil. Ich bin sicher, er wird Dir gefallen.
Grund #4: Du kannst es verwenden
Im Sommer schreibt man an andere. Nämlich Postkarten. Wenn Du Dein Tagebuch oft in der Hand hast, hast Du jede Menge Stoff für Deine Postkarten. Du musst nur blättern, kannst einzelne Absätze kopieren – oder eine Erinnerung als Impuls verwenden.
Auch das Posten von Texten mit Bildern von Sommer-Orten (Parkbank, Blumenbeet, Campari Orange) ist gern gesehen und wird sicher geliked.
Auch ein Sommer-Buch kannst Du Dir machen und drucken lassen. Fotoalben sind aufwändiger – und teuer. Ein Buch mit Sommertexten gefällt Dir sicher noch in 20 Jahren – und lässt immer frische Bilder in Deinem Kopf lebendig werden.
Grund #5: Die Stimme ist weniger stumm
Was hört man schon so im Winter? Autos, den eigenen Fön, die Stimmen derer, die mit einem wohnen. Im Sommer tanzt das Leben auf der Straße – und singt. Alle plaudern, Kinder spielen, die Luft flirrt vor Worten, vor allem in Parks und auf öffentlichen Plätzen.
Es gibt Theorien (z.B. die von „Human Design“), die sagen: Gewisse Menschen brauchen Stimmen um sich, um selbst in den Ausdruck zu kommen. Vielleicht gehörst Du auch zu denen, die von selbst nicht so leicht in den Sprachfluss kommen. Setz Dich hin, lausche, notiere, was Du hörst – und schon beginnt Deine Sprache zu plätschern.
Grund #6: Morgens schreiben ist leichter
Du weißt es: Die Stunde nach dem Aufwachen ist eine der wertvollsten am Tag. Alles, was gut ist, sollte man am besten gleich morgens machen: Ein Glas warmes Wasser trinken, Yoga machen, meditieren, joggen gehen – und natürlich auch schreiben.
Wie das gehen soll? „Stellen Sie den Wecker 30 Minuten früher als sonst“, wird da immer empfohlen. Im Winter schüttle ich da nur verzweifelt den Kopf. Meine Daunen sind mir einfach heilig. Aber im Sommer, das geht das irgendwie. Wenn die Sonne noch früher aufsteht als ich, erscheint mir der Sechster am Wecker nicht wie eine Folter, sondern wie ein Stück verlockender Freiraum.
Grund #7: Neun (oder sechs) Wochen
Woran misst sich Dein Sommer? An den Schulferien – in Österreich satte neun Wochen, in Deutschland und der Schweiz eher sechs oder sieben. Vielleicht denkst Du auch „drei Monate“ (Juni, Juli, August). Oder „zwei Wochen“ (weil Du nur da Urlaub hast). Egal, wie die Zahl lautet: Der Sommer ist eine Zeit, deren Länge wir alle gut abschätzen können. Perfekt für Projekte, „Challenges“ oder Probier-ich-Einmals.
Dinge, die grundsätzlich zur täglichen Routine werden könnten (Yoga, Joggen, Smoothies, Meditieren, Instagram-Posten und eben auch Schreiben) können ja auch Stress erzeugen: Wenn ich heute anfange, muss ich es ab da jeden Tag machen? Na, da beginne ich lieber erst morgen, dann hab ich heute noch frei …
Sechs, sieben, neun Wochen sind eine gute Zeit, um das Tägliche einmal zu erleben (fühlt sich schon gut an), und trotzdem denken zu dürfen: Es muss ja nicht für immer sein. Man hört halt nicht beim ersten Unlust-Gefühl auf, sondern erst Anfang September – oder wann halt Dein Sommer vorbei ist.
Grund #8: Man liest mehr
Ich bin im Sommer oft „musifiziert“. (Nein, liebes Korrekturprogramm, nicht „mumifiziert“.) Ich meine: ich lese gute Romane – und deren Ton steckt mich an. Es ist wie mit dem Ohrwurm im Radio, den ich noch den ganzen Tag summe. Die Stimme, die Wortwahl guter Autoren hallt nach in dem, was ich schreibe. Sei es die Länge der Sätze, die Kraft der Verben, seien es die Bilder vor meinem inneren Auge, sei es das Selbstbild, das ich von mir habe (angelehnt an Elizabeth Gilbert, Peter Turrini, Jojo Moyes oder wen auch immer ich lese).
Grund #9: Der Körper ist fitter – und auch das Hirn
Im Sommer bewegt man sich mehr. Das Fahrrad ist aus dem Keller geholt, man nimmt auch mal den Fußweg, man geht vielleicht wandern oder schwimmt im Freibad. Natürlich wirkt sich die Bewegung auch auf das Denken aus. Um es neurologisch auszudrücken: Der sensorische und motorische Cortex wird stark aktiviert – und mit ihm viele Wörter, die mit Bewegung und Sinnlichkeit zu tun haben. Tsatsiki, schlemmen, bauchklatschen, sonnenbaden, Fliederduft, rascheln, rauschen, Brise, Anstieg, Euphorie, Muskelkater, Duschschaum …
Grundsätzlich ist das Hirn besser durchblutet, wenn man Bewegung macht. Und dann ist da ja auch noch das Vitamin D, das sich bildet, wenn die Haut Sonne tankt. Ein natürliches Antidepressivum, das auch die Kommunikation in Schwung bringt.
Grund #10: Schöne Erinnerungen
Erinnerungen an frühere Sommertage sind sehr oft fröhlich, romantisch und erzeugen ein „Oh, das war schön“. Wenn Du im Sommer schreibst, dockst Du automatisch an dieser Erinnerungen an – und kannst diesen Sommer fix auf Dein Erinnerungskonto der schönen Erlebnisse einbuchen. „Hach, war das ein Sommer“, wirst Du dann auch über den diesigen sagen, mit verklärtem Blick.
Summe summarum: Dieser Sommer ist einer, in dem Du es mit dem Schreiben probieren könntest. Findest Du nicht auch?
Hast Du schon einmal bewusst im Sommer geschrieben – täglich in einem Urlaub, ein paar Wochen lang jeden Morgen, rückblickend auf eine Reise, für einen Wettbewerb, lange Briefe aus dem Urlaub, einen Reiseblog oder etwas ganz anderes? Ich freue mich auf Deine Erfahrungen (als Kommentar).
Wenn Du Lust auf einen Schreib-Sommer hast, schau Dir den „Tagebuchsommer!“ an, meine Schreibbegleitung für Dich über zehn Wochen, in diesem Sommer.
Comments
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Christa Menke
Das,was Du schreibst, macht mir Lust ein Freudetagebuch zu beginnen,in dem das,was mich zum Hüpfen bringt seinen Ausdruck findet.Vielen Dank.
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DanielaR.
Liebe Barbara, dein Blogbeitrag hat mich angeregt, ja schonmal ein niegelnagelneues orangenes Notizbuch bereit zu legen für meine Sommerurlaubsreise in die Westkarpaten und nach Siebenbürgen... Ich freue mich darauf schon riesig und werde mein erstes Reisetagebuch beginnen. Es wird bestimmt spannend, entspannend, abenteuerlich, kulturell, faszinierend .......und festhaltenswert.... Übrigens, deinen Punkt #3 beziehe ich sehr oft in meine Morgenseiten mit ein, die ich oft mit einer kleinen Beschreibung meiner Umgebungs-Situation beginne: Blick aus dem Fenster, Naturbetrachtung, Geräusche wahrnehmen und beschreiben.... Dankeschön für deine Sommerschreibtipps liebe Barbara :-)
Bernadette
SommerSchreiben hat mich durch den Winter getragen. Ich hab letzten Sommer bei einem Schreibkurs damit begonnen, jeden Tag in der Früh eine A6 Seite in einer kreativen Schriftart vollzuschreiben. Einfach alles, was grade so rauskommt. Oft kann mans nachher nimma lesen, weil ich auch übereinender schreibe. Aber so entsteht jeden Tag mein SchreibBild. Danke. Euch allen einen schönen Sommer!